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ARCHIV DER AWO LE - 2002

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Aus dem AWO-Magazin 6/2002 - AKTUELLES

Nachgefragt bei Bert Hinterkeuser

Die Zukunft des Zivildienstes

Ob im Fahrdienst, in Pflegeheimen, als Hilfs-Hausmeister oder zuständig für die EDV - Zivildienstleistende (Zivis) sind aus sozialen Einrichtungen kaum wegzudenken. Und doch: Hat der Zivildienst überhaupt eine Zukunft? Und wie sehen Alternativlösungen aus? Wir sprachen mit dem Zivildienstbeauftragten beim AWO-Bundesverband Bert Hinterkeuser.

Frage: Warum kann der Zivildienst nicht bleiben, wenn die Wehrpflicht abgeschafft wird?

Hinterkeuser: Der Zivildienst ist direkt, gesetzlich und verfassungsmäßig als Ersatzdienst an den Wehrdienst gebunden. Seit Einführung des Zivildienstes 1961 haben die Wohlfahrtsverbände auf Bitten der Bundesregierung stets quantitativ und qualitativ entsprechende Einsatzmöglichkeiten für Zivis angeboten. Der zunehmende Ausbau von auf Zivis ausgerichtete Dienstleistungen wurde wiederholt mit dem Hinweis auf die nicht zu beeinflussende Abhängigkeit von der allgemeinen Wehrpflicht begleitet - also keine „Besitzstandswahrung" für die Träger von diesen Diensten - auch bei offensichtlich noch so unverzichtbar gewordenen Dienstleistungen.

Frage: Welche Auswirkungen werden die Kürzungen haben?

Hinterkeuser: Der Ausfall von Zivildienstleistenden führt schon heute - allerdings regional und tätigkeitsmäßig sehr unterschiedlich - zu teilweise massiven Einschränkungen in Umfang und Qualität der Betreuung und Versorgung von Kranken, Alten und Bedürftigen, in einigen Regionen sogar zu einer Einstellung des Angebots. Weitere Reduzierungen oder langfristig gar Wegfall des Zivildienstes treffen vorrangig diese ohnehin benachteiligten Menschen, um die sich die Freie Wohlfahrtspflege kümmert. Vor allem in den Bereichen stark personenbezogener Betreuung, wie der individuelle Schwerstbehindertenbetreuung (ISB), Mobilen Sozialen Hilfsdiensten MSHD) und Pflegediensten werden schon alleine bei weiteren Dienstzeitverkürzungen kaum mehr Zivildienstleistende vernünftig und auch wirtschaftlich vertretbar einzusetzen sein. In Zukunft wären noch am ehesten Zivildienstleistende in stationären Einrichtungen als reine Aushilfen oder Vertretungen denkbar.

Frage: Wie stark sind die Einschnitte? 

Hinterkeuser: Da bei Ausfall von Zivis die Mehrheit der Hilfebedürftigen nicht mehr in der Lage sein wird die höheren Kosten selbst zu übernehmen, werden sie teilweise diese Leistungen nicht mehr in Anspruch nehmen können oder andere Kostenträger werden verstärkt herangezogen, wenn das Niveau der sozialen Versorgung gehalten werden soll.

Frage: Die Schwächsten sind also wieder mal die Dummen?

Hinterkeuser: Im Mittelpunkt notwendiger Umstrukturierungen dieser Dienste müssen die hilfebedürftigen Menschen stehen. Um eine angemessene Pflege, Begleitung, Betreuung und Förderung weiterhin gewährleisten zu können, wird auch die Schaffung regulärer Arbeitsplätze unverzichtbar sein. Hierbei müssen auch die Möglichkeiten der Unterstützung durch beschäftigungsfördernde Maßnahmen für vom Arbeitsmarkt ausgegrenzter Personen aktiv genutzt werden. Ergänzend muss endlich nicht nur für eine stärkere gesellschaftliche Anerkennung der Arbeitsfelder im Pflegebereich geworben, sondern auch Bezahlung und dienstbegleitende Betreuung und Weiterbildung dem Stellenwert dieser schweren Aufgabe angepasst werden.

Frage: Sind freiwillige Helferinnen ein Ersatz?

Hinterkeuser: Die Wohlfahrtsverbände sind seit vielen Jahren im Bereich des Freiwilligen Sozialen Jahres und anderer Freiwilliger Dienste - insbesondere für junge Menschen - tätig. Der Ausfall von Zivis kann so keinesfalls aufgefangen werden. Die Zielgruppe für den Zivildienst sind die hilfebedürftigen Menschen; im Mittelpunkt der Freiwilligendienste stehen aber die jungen Menschen selbst mit ihren Bedürfnissen und Bildungsinteressen. Der relativ hohen Planungssicherheit, die im Zivildienst für den Einsatz gegeben ist, stehen zudem im Freiwilligendienst hohe Flexibilität und eine völlige zeitliche Öffnung der Einsatzzeit gegenüber.

 
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Letzte Aktualisierung am 18.03.06
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